WJB/WJA Barcelona 2017 – Der Versuch eines Berichts

 

Barcelona 2017 – Der Versuch eines Berichts

 

Jetzt sitze ich hier in meinem Zimmer und halte ein Wett-Anstarren mit meinem Laptop ab, und verliere. Es ist ein Dienstagabend, nur nicht ganz wie jeder andere. Gestern kam ich von einem Turnier mit meiner wJA aus Barcelona zurück und nun bedarf es einer Zusammenfassung für die Wackerhomepage. Ob das jemals irgendwer interessiert lesen wird? Egal, ich will mir nicht vorwerfen lassen können, dass ich nicht versucht hätte was abzuliefern. Also los. Aber wie? Das ewige „Erst haben wir das gemacht und dann haben wir das gemacht und wir hatten Spaß“-Gelulle im strikten Samstagmorgen-bis-Sonntagnachmittag-Schema auf einer A4-Seite erscheint mir etwas überstrapaziert. Aber wie dann? Vielleicht einfach mal ehrlich frei heraus schreiben, wie man etwas erlebt hat. Die Welt ist voll mit Leuten, die akut unter verbaler Inkontinenz leiden, dann kann ich das doch auch mal probieren. Aber wenn, dann schon die ganze Geschichte, denn manche Erlebnisse haben das verdient. Titel kreisen mir durch’s Gedankenfach. Wacker weltweit, Aus dem Tagebuch eines wJA-Trainers, Reflexionen eines Grenzdebilen oder Die Leiden des jungen W.? Ach egal, da kann man sich auch später noch drum kümmern. Einfach mal loslegen, denn wenn man viel zu erzählen hat muss man vorne anfangen und hoffen, dass es irgendwann vorbei ist.

 

Der eigentliche Grundstein der Geschichte liegt schon ein wenig zurück.

Montag, 25. Juli 2016 13:24. Pling! Mitten in die meditative Mittagsstille des Isartals hinein will mein Handy was von mir und ich, Knecht der Technologie, sehe gleich nach. Eine Mail aus dem Wacker-Büro. Was kann Anja denn wollen? Was sagt der Betreff? WG: Turnier – Real Club de Polo – Barcelona. Aha. Hm. Moment, was? Vielleicht sollte ich die verwirrte Denkpause sein lassen und einfach sofort reinschauen. Kurz überfliegen. Marten Schirmer, noch nie gehört…iberiasports…Startplatz weibliche Jugend A…Januar 2017. Okay, das klingt lecker. Besser mal gründlich lesen. 30 Sekunden später und in dem naiven Irrglauben die Ausmaße einer derartigen Unternehmung abschätzen zu können fange ich an nachzudenken. Das wäre vielleicht DIE Chance den 98ern einen gebührenden Abschied vom Jugendhockey zu ermöglichen. Anfangs eines der ganz erfolgreichen Teams, inzwischen leider ein gebeuteltes Team, das viel mitmachen musste, gute Mädels, aber für mich in erster Linie mein erstes eigenes Team als Cheftrainer. Mal kurz den Captain fragen, ob vom Team aus überhaupt Interesse bestehen könnte. Eine Stunde passiert nichts. Dann – Pling! – meldet sich mein Handy erneut. Antwort von Naddl: „Whaaaat?!“ „Wie geil“ „Aufjedenfall !!!“ „Bitte lass des machen“. Man könnte glatt munkeln, dass sie wohl Bock hätte da dabei zu sein. Es könnte sich rentieren ‘ne Timerabfrage laufen zu lassen. Die Hälfte der Damen sehe ich sowieso Ende der Woche im Feriencamp, da lässt sich die allgemeine Meinungslage unter die Lupe nehmen, dann bekomm‘ ich eine Ahnung wohin die Reise geht.

Anfang September dann herrscht Gewissheit. Ein paar frühbuchende Skifahrer und Weihnachtsurlauber werden wir zwar schmerzlich vermissen müssen, aber dank der Unterstützung einer, nennen wir es erweiterten Jugendspielerin, in Person von Anna, die schließlich ihre halbe Jugend mit den Mädels zusammengespielt hat, und der Exil-Bajuvarin Lelo haben wir eine Kaderbreite, die einen Anmeldungsversuch bedenkenlos zulassen sollte. Gleich der nächste Fall grotesker Selbstüberschätzung. Nicht das mir das in diesem Moment transparent gewesen wäre, aber mehr dazu im weiteren Verlauf. Anja würde als Betreuerin mitkommen, da ich eigentlich keine mehr habe, und bietet mir auch noch an sich um die Organisation zu kümmern. Ein Angebot der Agentur, einen versöhnlichen Deal ohne erfolgreichen Abschluss und zwei Mails mit der Organisatorin des Turniers direkt vom Verein später ist es soweit. Das Zusammentreffen meines wackeligen Schulenglisch und dem Sprachansatz einer katalanischen Hockeyleiterin ähnelte zwar dem Handschlag von Pinguin und Eisbär, aber das Ergebnis ist das erhoffte. Eine feste Zusage für einen Startplatz beim 69. Torneo Internacional de Hockey de Reyes in der Kategorie Girls U-18 vom 6.-8. Januar 2017 beim Real Club de Polo de Barcelona. Anjas Stundenkonto dürfte mittlerweile bereits zweistellig sein und wir haben weder Flug, Unterkunft noch Versorgung. Glücklicherweise hat es im Verein mit Björn-Alexander einen Experten zum Thema Fliegen. Nachdem ich ihn im Feriencamp von der Chance erzählte, hat er nicht nur eine Liste ausgewählter Direktverbindungen besorgt, sondern auch noch ein paar Tricks zur Anfrage an die Fluggesellschaften verraten. Das Thema Flug ist also deutlich zeitsparender erledigt als befürchtet. Dann der nächste Lichtblick. Unsere Hockeywelt ist klein genug, dass eine ganze Menge Infos an Leute kommt, von denen man noch nie etwas gehört hat, aber groß genug, dass auch jemand dabei ist, der helfen kann. Und zack. Drei Ferien-Appartments einen Block von der Metro-Station Sagrada Familia inklusive Rabatt unter Sportskollegen. 100m zur U-Bahn, jeweils eine Terrasse in den Hinterhof, Sauna und Dachterrasse mit Pool. Kann man mal dankend annehmen und tut der Vorfreude der Mädels jetzt auch nicht zwingend einen Abbruch. Die Reise steht. Und los geht’s mit der Dauerschleife von leicht neidischen über ungläubigen bis hin zu skeptischen Kommentaren. Von „Hammer“ über „Und wie stellst du dir das vor?“ bis „Mit 15 Mädels nach Barcelona fliegen? Hast du ‘nen Ball zu viel an den Kopf bekommen?“ war so ziemlich alles mal dabei. Aber jetzt war nichts mehr zu drehen.

Kann das einfach so klappen? Da muss doch eigentlich gleich wieder was passieren und der nächste Kracher lässt nicht lange auf sich warten. Anja hat die Zahlen jongliert und zeigt mir die erste Prognose. Es braucht Kohle. Als dann nach einer Spendenbox, einem mühsamen Auftritt beim Weihnachtsmarkt trotz zeitgleich noch laufendem Spieltag und einem Kuchenverkauf beim Heimspieltag von 1. Damen und 1. Herren noch die Unterstützung vom Verein gesichert war, sah es schon besser aus. Allerdings gibt es inzwischen auch den ersten Ausfall durch einen Mittelhandbruch im ersten Hallenspiel zu verbuchen.

Aber allem Anschein nach ist jetzt alles fertig. Flug und Appartment gebucht, Kader und Mannschaftsfoto verschickt, Einlaufshirts geflockt, Gastgeschenke organisiert, Björn kommt auch noch zum Flughafen und hilft uns, damit alles glatt geht. Schaut gut aus, oder? Nichts da. Trommelfellentzündung, nächster Ausfall.

 

Doch dann endlich das ersehnte Datum. Mittwoch, 4. Januar, Anreisetag. Der Wecker klingelt. Ein Blick auf’s Handy. Es ist 4:45 Uhr. 4:45 Uhr! Ein Hoch auf dein Vertrauen zur MVG und deine Paranoia zu spät anzukommen, denke ich zu dem verschlafenen Trottel im Spiegel. Am Flughafen schneien die Mädels ein. Die Vorfreude geht verbal durch die Bank, aber die Gesichter wollen irgendwie nicht alle glaubwürdig mitspielen. Und dann gleich die nächste Überraschung. TW-Anna hat’s nicht so mit dem Fliegen. Äußern tut sich das durch ein erhöhtes Verlangen sich anderen mitzuteilen. Anna? Die kann noch mehr reden? Ja, kann sie und das die Tante hinter dem Schalter so gar nicht weiß, was sie mit der Torwarttasche anfangen soll entspannt ihre Gemütslage nicht wirklich. Ein Glück, dass Björn da ist und das Ganze regelt. Das Gepäck ist weg, Sicherheitskontrolle. 15 Mal problemlos, nur Laura braucht natürlich wieder eine Sonderbehandlung, darf dann aber doch mitkommen. Am Gate kehrt dann nach einem kurzen Sprint um die Sitzplätze mit Fußstütze recht rapide Ruhe ein. Als Björn uns wissen lässt, dass unsere Maschine erst mit zwei Stunden Verspätung in München ankommen wird, geht die Stimmung durch die Decke, als hätte gerade jemand öffentlich einen Hundewelpen erdrosselt. Aber ändern können wir es ja doch nicht. So greifen einige zu Kopfhörern und andere improvisieren sich ein Bett. Dabei scheint jedoch alles weggelassen zu werden, was nur unnötig Komfort stiften würde.

Als in Barcelona die Flugzeugtür aufgeht und wir im strahlenden Sonnenschein über’s Vorfeld zum Terminalbus gehen macht es auf mich jedoch den Anschein, als ob so einiges bereits wieder verdrängt wird. In der Eingangshalle versammelt will ich mir einen Überblick über die Spanischkenntnisse erfragen. Dem offensichtlichen „Hola“ und einem schüchternen „Buenos dias“ folgt Christians „una cerveza por favor“. Okay, quasi non-existent, lassen wir das. Um das Geschehen nicht unnötig zu vereinfachen ist Lelos Flug aus Berlin selbstverständlich am anderen Terminal angekommen. Nach gut fünf Telefonaten, während denen Christian volle drei Diskussionsrunden mit dem Personal am U-Bahn-Infoschalter ausgefochten hat, haben wir die Fahrkarten und 5 Minuten eine Station weiter auch Lelo. Jetzt sind es zumindest 13 Spielerinnen. Sähe man lediglich die Armada an Koffern, die in der U-Bahn den gesamten Durchgang verbarrikadiert, rechtfertigte diese zwar auch die Vermutung auf ein komplettes American Football Team samt Trainerstab, Videoleuten und Physios gestoßen zu sein, aber so ist das nun mal. Eine Stunde später gehen die Appartmenttüren auf. Ein kurzer Rundgang, dann auf die Dachterrasse den Ausblick überprüfen und schon entgleisen ein paar Gesichtszüge. Die zweite Dachterrasse mit Pool ist natürlich wegen Bauarbeiten gesperrt bis zum Tag nach unserm Abflug, aber liefe alles wie geplant, wär’s ja auch langweilig. Nächster Punkt Abendessen. Was gibt’s am ersten Abend auf Kurzurlaub in einer Hochburg spanischer Küche zu essen? Richtig, Nudeln, ist jetzt aber uninteressant. Wir sind da.

 

Donnerstag, Kulturtag. Sagrada Familia, aber bei der Länge der Schlange wird es beim Blick von außen bleiben. Der Beschluss lautet, erstmal in Richtung Wasser. Die Gruppe setzt sich in Bewegung, die kleinen Gesprächsgruppen bilden sich und keine zehn Blocks weiter der erste Aufreger und Kulturschock zugleich verfeinert mit einem Hauch Artistik, als direkt hinter uns die feste Überzeugung eines Rollerfahrers an einem abbiegenden Linienbus innen vorbei zu passen als Irrglaube enttarnt wird und der Bus ihn komplett niedermäht. Es klatscht, der Roller scheppert zu Boden und der Typ rollt sich ab, steigt wieder auf und fährt kommentarlos weiter. Der Maßstab ist also gesetzt. Ein Warnschuss für uns, da immer wieder auffällt, dass eine rote Ampel die hiesigen Verkehrsteilnehmer nur peripher zu interessieren scheint. Ein wenig Stadtpark, Kathedrale und dann zu den wichtigen Dingen, Shopping-Pause. Die Menge diffundiert schlagartig. Wieder versammelt geht es zur Mittagspause zum Mercado de La Boqueria.

An den ersten fünf Obstständen vorbei lässt sich dann von gerupften Hühnern über in Reihe hängenden Hasen bis hin zu offen liegenden Fischköpfen alles erblicken und erwerben, für diejenigen, die nichts für die ganzen Haxen übrig haben. Nachdem Leo und Anna noch einen Einblick bekommen, was in Spanien eine frische Kokosnuss ist und wir die „Flucht“-Methodik der Taschenverkäufer bei Polizeikontakt vorgeführt bekommen haben, setzt sich der Trupp in Richtung Hafen in Bewegung.

Noch einmal schnell Luxusyachten gucken und dann auf zum Strand. Wir sind noch nicht ganz da, schon kommt die erste Tante, die versucht Massagen zu verticken, Nein. Strand, Meer, die Fotosessions beginnen. Massage? Nahhein. Langsam wird der Tag lang. Ein Versuch von Entspannung beim Meeresrauschen. Massage? Nein verdammt, zupf‘ dich. Wo kommen die eigentlich immer alle so schnell her? Jetzt aber den Sand aus den Schuhen eimern und dann wird die nächste U-Bahn-Station zurück gesucht. Local cuisine Runde zwei, Pizza. Aber bedeutet das, dass für heute Schluss ist? Ein paar der Mädels wollen die 20 km wohl noch voll machen. „Wir gehen noch in’s Shoppingcenter.“. Man kann nicht sagen, dass es an Enthusiasmus mangeln würde. Wer’s braucht. Hopp, ihr Konsumknechte.

 

Der Freitag bricht an und damit beginnt auch der Hockeyteil der gesamten Unternehmung. Es stehen zwei Spiele an. Ankunft am Clubgelände und ein weiteres Mal bewegen sich einige Kinnladen in Richtung Boden. Eine Einfahrt für Autos, eine für Roller und zwei für Fußgänger. Kann man mal machen. Generell scheint die Kohle hier nicht sonderlich limitiert zu sein. Und nun? Einfach mal dem Typen mit der Hockeytasche folgen. Nach einer Runde um das Stadion versucht man es vielleicht mal im Clubhaus. Und siehe da, WLAAAAAN. Auch haben die eine riesige Tafel mit dem kompletten Spielplan und einer Auflistung aller Teams hingeklotzt.

        

Während ich mich am Poloplatz vorbei zwischen den Ställen hindurch irre, um den Platz zu finden, wissen vorne bereits alle Bescheid. Am Platz angekommen stellt sich heraus, dass man seine Balltasche wohl selber hätte mitnehmen müssen und der Typ an der Zeitnahme spricht kein Englisch. Hauptsache das Clublogo ist in den Kunstrasen eingenäht. Was für ein Start, wenn es gleich gegen die katalanische U-16 losgeht und ich personell erzwungenermaßen auch noch einige Leute auf Positionen stellen muss, die sie bisher nicht mit der Kneifzange angelangt haben. Nebenbei erfährt irgendwer der Mädels, dass wir hier auch 4×15 min spielen. Nicht das letzte Mal, dass uns die Rolle des Turnierneulings ratlos dastehen lässt. Das Team stellt sich zur Begrüßung auf und die Spanierinnen sind vollkommen überrascht, was wir da vorhaben. Macht man hier anscheinend nicht, hat uns aber auch keiner gesagt. Es ist ein motivierter Beginn, aber wir sind technisch unterlegen und die Umstellung von Halle auf Feld gepaart mit den erzwungenen personellen Umstellungen lässt zu viele Lücken. Am Abend geht’s noch gegen Brüssel. Vielleicht liegt uns Belgien ja besser. Die Pause ist zwar sonnig, der Wind macht es aber ungemütlicher als theoretisch möglich. Spiel zwei. Erst noch das Foto für die Agentur und dann legen wir los. Beim Einspielen fällt leider immer noch nicht nur dem geübten Auge auf, dass die Feldschläger eine Zeit lang keine Aufmerksamkeit mehr genossen haben. Wir stehen besser, kommen über die komplette Spielzeit auch immer wieder zu Entlastungsangriffen, bleiben aber unter dem Strich zu harmlos. Auch defensiv sind wir zu brav, anstatt die Freiheiten, die die Schiedsrichter lassen, auszunutzen. Ich stehe komplett ratlos an der Seitenlinie, da es einfach nicht gelingen will ihre beiden Schlüsselspielerinnen in den Griff zu bekommen. Reduziert man den heutigen Tag auf die Ergebnisse ist es ein klarer Fall für die Rundablage. Zurück in die Appartments, Döner vom Inder um’s Eck und morgen erstmal auspennen.

 

Turniertag, Klappe die zweite und bitte. 12 Uhr, wir müssen gleich los. Was sagt das Thermometer? 15°C. Und daheim? -15°C, läuft. Spiel drei gegen eine niederländische Schulmannschaft. Das ist doch wohl hoffentlich eine andere Kategorie Schulmannschaft, als die Südafrikanerinnen, die letzten Sommer auf ihrer Europa-Tour bei uns waren. Ich probier es mit Aufstellung Nr. drei, inklusive Torwartwechsel auf Anraten, in der Hoffnung diesmal Zählbares aus den Kontern rausholen zu können. 37 Minuten lang will das dem Ergebnis nicht wirklich nutzen, aber immerhin gibt’s jetzt auch mal was zu lachen. Die frisch aus der Enge ihrer Rüstung befreite TW-Anna genießt schon wenige Augenblicke nach dem Anpfiff ihre gerade erlangte Freiheit, um sich in einer Pfütze 5m vor unserer Bank bei dem Versuch eines Richtungswechsels beim Andrängen ihrer Gegenspielerin einmal genüsslich auf die Fresse zu packen. Talentdetonation. Eine harte Probe für meine Selbstbeherrschung, aber ich kann mich zusammenreißen. Es ist nicht so, als ob die Niederländerinnen uns überrollen würden, aber in Rückstand geraten wir trotzdem. Doch dann der erste Hoffnungsschimmer. Aus einer unserer Ecken holen die Mädels einen 7er raus. Naddl lässt sich nicht zweimal bitten und versenkt klassisch Schlägerseite Bretthöhe. Zwar knapper als gewohnt und es scheint mehr Wille der Verzweiflung als tatsächliche Schusshärte zu sein, aber nach so einem Schmarrn fragt ja später zum Glück keiner mehr. Endlich das erste Tor und sofort sieht man, wie in den Köpfen der Schalter umspringt. Von jetzt auf eben ist Passqualität da, das Zweikampfverhalten verdient die Bezeichnung und schon laufen die anderen uns nur noch hinterher. Kaum hat das letzte Viertel begonnen legt Pauli die zweite Hütte nach und beschafft uns damit das wohl elementarste Stück Ausrüstung wieder, das ein Sportler besitzen kann, Selbstvertrauen. Nur werden die Offensivbemühungen nicht mehr mit dem Ausgleich belohnt. Eine geknickte Rückfahrt, aber immerhin ein Beweis, dass sie nicht alles verlernt haben. Die Laune vor dem Gala Dinner ist nicht komplett im Keller.

Anja drückt mir die Tickets für das Essen in die Hand. Das kleine Foto auf der Website sah ganz schön nobel aus und der komplette Club macht nicht zwingend einen Eindruck, als ob man da problemlos in der Trainingshose aufkreuzen kann, aber dann solche Plastiktickets? Dann fällt mir eine feingedruckte Zeile auf. „Jacket and tie required (gentlemen)“, na toll. Ich kann den Lachausbruch meiner Spezialistinnen ja jetzt schon hören. Was für ein Dreck. Am Clubhaus angelangt stellt sich sofort heraus, was in der U-Bahn befürchtet wurde. Unsere Garderobe erscheint unterdurchschnittlich. Egal, wie oft gibt’s schon ein 3-Gänge-Menü auf einem Turnier. Nachdem ich vom, vermutlich, so wirklich erklärt wer das war wurde nur auf Spanisch, Hockeyleiter die wohl schickste Teilnehmerurkunde, die mir bisher so über den Weg gelaufen ist, feierlich überreicht bekomme und das ausreichend fotografisch festgehalten wurde, werden, wie alle anderen, auch wir herzlich eingeladen nächstes Jahr wiederzukommen. Im Anschluss wird die Meute auf die Tanzfläche im Nebengebäude losgelassen. Warum können die nicht alle 18 sein, dann könnt‘ ich mich jetzt verkrümeln? Naja, musst du halt noch bleiben. In den Pausen, wenn mich mal gerade niemand fragt, warum jemand in meinem Alter schon Trainer ist, oder mich gleich noch für einen U-18-Spieler hält, beobachte ich die teils komplizierten Anläufe meiner Damen diverse Briten, von denen so mancher, vermutlich aufgrund der liquide induzierten guten Stimmung, inzwischen, bei gar nicht so fortgeschrittener Stunde, verstärkt Probleme mit dem geraden aufrechten Gang in Vorwärtsrichtung aufweist, loszuwerden. Ein immer wieder höchst interessantes Stück Unterhaltung. Eines der lockeren Gespräche lohnt sich dann unerwartet in zweierlei Hinsicht. Der Trainer der Jungs aus Brüssel hatte mich angesprochen. Eigentlich nur Trainer-Smalltalk, aber er stellt mir nicht nur seinen Kumpel, einen vielfachen EHL- und belgischen Nationalspieler, vor, sondern erzählt auch von einem Ein-Tages-Turnier, das sie jeden August ausrichten. Ob wir nicht Bock hätten diesen Sommer mit den Mädels dabei zu sein? Ähh, ja selbstverfreilich. Währenddessen erheitert auch die videografische Verewigung so manches rhythmischen Bewegungstalentes die Gruppe. Irgendwann muss aber auch Schluss sein, Rückfahrt die Damen.

 

Hockeytag Nummer drei. Das Spiel gegen die Gastgeberinnen. Wimpel und Lebkuchenherzen werden feierlich überreicht.

   

Die erste Hälfte läuft wie gewohnt. 0:4. Die Leier kenn‘ ich schon. Haben wir nicht noch was anderes zu bieten? Doch, haben sie. Mit Beginn des dritten Viertels gibt’s plötzlich wieder richtig starkes Hockey. Und siehe da, Pauli und Naddl verkürzen das Geschehen auf 3:4. Und die Mädels haben immer noch nicht genug. Doch die höflichen Gäste, die wir nun einmal sind, überlassen der Heimmannschaft den Schlusspunkt der Partie, in einer zweiten Halbzeit, die aber ansonsten komplett uns gehörte. In Anbetracht der Verhältnisse gibt es aber wohl kaum Anlass zu tiefer Trauer. Ein gemeinsames Foto und dann liegt es hinter uns. Unser erstes internationales Feld-Turnier. Anfang Januar. Doch Folgen sind zu erkennen. Bereits der Hinweg zur Tapas-Bar fordert so manche der Damen mehr heraus, als gedacht. 200 m Fußweg können aber auch echt hart sein. Ein Glück, dass die Appartments im Erdgeschoss sind.

 

Montag, Abreise. Aber vorher noch zu Anjas bunter Mauer. Park Güell, „da muss eine bunte Mauer sein“. Geschätzte 100/150 Höhenmeter und Lelo nimmt immer noch die Treppe. Irgendwas tun die in Brandenburg wohl in’s Trinkwasser. Erster Aussichtspunkt, spitzen Blick über die Stadt. Womöglich noch besser, wenn es ein zwei Wölkchen weniger wären, aber wer wird denn jetzt nörgeln. „Hier muss es irgendwo zu einer bunten Mauer gehen“. Ich schaue auf einen der Wegweiser. Naja, wörtlich laut „bunte Mauer“ brüllt mir jetzt keiner von denen so wirklich entgegen. Am Gegenhang sind an den Hauswänden ein paar Graffitis. Wäre das mit bunte Mauer gemeint, hätten wir Sendling eigentlich nicht verlassen brauchen. Wir schlendern durch den Park. Palmen, Papageien, oder etwas, das ausreicht, dass ich es dafür halte und historische Bauten. Nur war da doch noch was, oder? Mir scheint, als hätten wir was vergessen. Richtig, die bunte Maaueer! Ich wusste doch, dass sich da ein elementares Grundbedürfnis unerfüllt wähnte. Das alles hatte sich angefühlt, als ob wir hier noch nicht fertig wären. Aber da war sie ja endlich. Sofern es einem zwischen den knipsenden Asiaten überhaupt noch möglich war einen Blick erhaschen zu können. Alle mit ihren Selfiesticks, die ich ihnen spätestens zu diesem Zeitpunkt, lassen wir das. Dieser eine Fleck hatte was vom Marienplatz zum Glockenspiel, aber egal.

Wir sammeln unser Zeug aus dem letzten Appartment und steigen in die U-Bahn zum Flughafen. Und schon wieder verrammelt dieses Football-Team den gesamten Durchgang. Ach Scheiße, das sind ja immer noch wir. Mal sehen, ob wir den Sonnenuntergang im Flugzeug sehen oder ob wir dann schon zu weit weg sind. Eine weitere interessante Gepäckaufgabe später, die Angeschlagenen werden zu diesem Zeitpunkt bereits auf Kofferwagen geschoben, kommt es zu einem seltsamen Dejavu. 15 Leute gehen durch die Kontrolle und kommen verzögerungsfrei am anderen Ende wieder raus. Moment, wo ist Laura? Ach ja, bei der Sprengstoffkontrolle. Das Boarding, zumindest der Versuch. Irgendwie bleiben die da alle im Gang stehen. Also in’s Flugzeug rein kommt keiner. Da erschallt auch schon die Lösung. 5 min Spanisch. Und dann die deutsche Fassung, „Flug kaputt“. Ja, das war ein wörtliches Zitat, mehr kann uns keiner sagen. Neue Maschine rausziehen, das Gate wechseln, zack. Wieder anderthalb Stunden Verspätung. Sonnenuntergang ist mittlerweile durch. Mal sehen, ob der Pilot wenigstens dasselbe Wurmloch kennt wie sein Kollege vom Hinflug. Landung, ein Blick auf die Uhr, anscheinend kannte er’s nicht. Egal, 16x Mensch und Gepäck sind, mehr oder weniger, gesund zurück.

 

 

Und nun? Was haben die jetzt davon mitgenommen? Ich wollte einen würdigen Abschluss vom Jugendhockey schaffen. Ein Erlebnis. Etwas, das es wert ist, sich ab und an wieder zurück zu erinnern. Etwas, das vielleicht sogar nochmal einen emotionalen Anschub, einen Motivationsbonus, liefern könnte, schließlich steht Samstag auch die Südbayrische an, für manche die allerletzte. Hängen wir in Brüssel vielleicht sogar einen zweiten Teil an unsere Europa-Tour? Ich weiß es nicht. War das alles am Ende vielleicht nutzlos? Keine Ahnung. Aber ich würd’s wieder tun. Ohne zu zögern. Denn ich werde mich an diese sechs Tage noch ein paar Mal erinnern.