Tennis: Herren 30 II – 6. Spieltag 1.7.2018

  1. Spieltag Herren 30 II

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ sagte der ehemalige Wimbledon-Sieger und Philosoph Sepp Herberger einst über seine Tennissaison in der Bezirksliga. Daher begann auch meine Planungswoche zur sechsten und vorletzten Partie gegen Neuperlach Kail ca. 19 Stunden nach dem letzten Ballwechsel gegen Altenerding. Zwar mangelt es in unserer Liga immer noch an verwertbarem Videomaterial der Gegner aber zumindest auf die teaminterne Statistik-Abteilung ist Verlass:

Einziger Haken dieses ansonsten soliden Plans: Balzi rangiert auf Platz 5 der Herren 30 Meldeliste und ist somit für uns nicht spielberechtigt. Und in der Kategorie „oder ähnlich“, sprich LK6 mit Tendenz zu 5 sind wir in der Meldeliste ab Rang 7 gar nicht so üppig aufgestellt, wie man meinen könnte. Allerdings hatten mit Andi Anzinger und Roberto Cudmani zwei ebenfalls starke Spieler aus der sehr erfolgreichen Herren 40 Mannschaft (Glückwunsch zum Aufstieg in die Bayerliga nochmal an dieser Stelle) ihre Bereitschaft signalisiert, uns zu helfen.

Dieses Angebot führte in erster Linie aber zu der sport-philosophischen Frage, wie viel externe Hilfe für eine Tennismannschaft zum Erreichen der Saisonziele eigentlich sinnvoll ist.  Oder, um es in Flo Ertls Worten wiederzugeben: „Wir ham euch doch letzte Saison erst zum Aufstieg verholfen. Und jetzt spielt ihr schon wieder gegen den Abstieg?!“.  Ausschlaggebend für die Entscheidung war dann aber, dass Ranfti für seinen 1.Herren 30-Kader auf Leo verzichtete, der damit bei uns an zwei reinrutschte. Sein statt dessen akquirierter  Mann an 6, Stephan Rippert, konnte jedoch nur Einzel spielen. Meine Frage, wen er dafür im Doppel einplane, beantwortete er mir ziemlich wörtlich mit: „Ach, ist eigentlich egal. Hast du Bock?“. Selten wurde schöner formuliert, dass ein Punkt nicht benötigt wird.

Somit stand der Kader, einer Herren 30-Mannschaft würdig, wie folgt fest: Henrik (mit Oberschenkel-Verletzung), Leo, Gödde (nach 3 Stunden Schlaf und 6 Stunden Anreise), ich, Knoth und Küster (nach Oberschenkelverletzung) statt Hani (Unterarmverletzung). Das eigentlich Bemerkenswerte: Diese Aufstellung wurde Donnerstag verkündet und hatte bis Sonntag durchgehend Bestand; ein Wahnsinn!

In Neuperlach angekommen verzögerte sich unser Auftakt um einige Minuten, da die vorher laufenden Damen- und Herren-Spiele noch nicht beendet waren. Also machten wir es uns zunächst auf der Tribüne gemütlich als Henrik nach ca. 20 Minuten einen faszinierenden Verdacht äußerte: „Sach ma, könnte es sein, dass das unsere 2. Damen sind, die da spielen?“ Immerhin Heiko konnte bestätigen, zwei der Damen bei Wacker schonmal gesehen zu haben. Um auch bei den anderen beiden Doppeln zu erfahren, für wen wir mitfiebern mussten, erkundigten wir uns bei einem Einheimischen, wer hier zu welchem Verein gehöre. An dieser Stelle zwei Erkenntnisse:

  1. Es waren unsere zweiten Damen (die leider unglücklich mit 4:5 unterlagen)
  2. Wir brauchen dringend mehr teamübergreifende Events bei Wacker, so dass es wenigstens ausreicht, um seine Vereinskollegen und –kolleginnen zu erkennen, wenn man sich schon mal zufällig über den Weg läuft

Kurz darauf konnten wir dann aber starten und das sogar auf 4 Plätzen. Auf der einen Seite neben mir versuchte Leo, seinen französisch-stämmigen l’adversaire nieder zu ringen, was ihm zumindest dahingehend gelang, dass ich diverse französische Flüche vernahm; zumindest schließe ich das aus dem gewählten Tonfall. Mein Französisch reicht exakt, um meinen Nachnamen fehlerfrei auszusprechen.

Dass Leo am Ende einer enorm hochklassigen Partie mit 8:10 im Champions-Tiebreak unterlag, mag an dem Vorhand-Volley gelegen haben, den er beim Stand von 8:7 über eine Cross-Vorhand stark vorbereitete, dann vorbildlich zum Netz nachrückte, dem harmlosen Rettungsversuch seines Gegenübers entspannt einen halben Schritt entgegen schlenderte, um ihn dann aus 60 cm Entfernung souverän an die Netzkante zu schieben; 8:8; 8:9, 8:10.

Auf dem anderen Nachbarplatz hatte Daniel zu diesem Zeitpunkt schon lange Feierabend. Er hatte sich den Matchplan zurechtgelegt, auf jeden ersten Ball wie ein Irrer draufzuzimmern, um dann das Tempo so lange zu steigern, bis er mal einen Ball verschlägt. Ich nehme es vorweg: bis zum Ende des 6:3, 6:1 kam dieser Moment nicht.  Neben dem Punkt, den er damit sicherte, fungierte er zusätzlich noch als Inspiration für mich: Einfach dem Gegner jeden Ball mit Warp 4 um die Ohren schlagen.  Gesagt, getan: 2:6; ich kann’s halt einfach nicht. Zumal das eigentlich auch gar nicht mein Spiel ist. Ich hatte jedoch das enorme Problem, dass mein Gegner exakt so spielte wie ich…gerne würde: Rückhand sicher rein, Vorhand Vollgas. Wie ich am Ende noch zu einem 6:4 10:8 kam, ist bis heute nicht geklärt. Dank der gefühlt 40 Grad und der nach wie vor bestehenden Notwendigkeit, jeden Rückhandball zu umlaufen, habe ich die zweite Matchhälfte aber auch nur noch verschwommen in Erinnerung.

Leider konnte ich das ebenfalls parallel stattfindende Match von Christoph Küster nicht live beobachten. Er berichtete aber, dass er um jeden einzelnen Zuschauer froh war, der sich nicht an seinen Zaun verirrte. Nach eigener Schilderung hat er seinen bisherigen Spielstil, den ich mal mit „schön, schnell, offensiv, erfolglos“ beschreiben würde, eingetauscht gegen einen Satz durchgehend Vorhand-Slice. Ihm gelang damit der erste Sieg auf Sand seit dem 13.Juni 2015, was ich dahingehend relativieren möchte, dass er 2016 in der Landesliga auflief und 2017 von Herrn Ranft bei der Meldung ein Jahr Erholung geschenkt bekam.

Aber auch auf den letzten beiden Plätzen wurde viel dem Erfolg geopfert. Christoph Gödde nahm, und das ist in unserer Amateur-Liga kaum genug zu würdigen, beispielsweise die Strapazen auf sich, nach einer am Vortag in Bremen! stattfindenden Hochzeit, morgens um 6 Uhr in den Zug zu steigen, um um 13:30 in Neuperlach auf der Anlage zu stehen. Es wäre gelogen zu behaupten, dass man ihm diese Tortur nicht angesehen hätte (Zitat Mitte zweiter Satz: „ich habe einen Puls von 5“), aber wer fragt angesichts von 6:2 7:5 schon nach der Art und Weise.

Mindestens den gleichen Respekt muss man auch Henrik zollen, dessen angeschlagener Oberschenkel-Muskel sich beim Stand von 6:2 3:0 endgültig verabschiedete und er unter offenkundig enormen Schmerzen und stark eingeschränktem Bewegungsradius ein 7:5 über die Linie rettete.

Wie wichtig dieses 5:1 war, stellte sich dann ca. 120 Minute später raus. Während wir immer noch überlegen, ob wir gegen Altenerding in der Woche zuvor die Doppel besser gespielt hätten, sind wir für diese Woche bereits eine Erfahrung reicher: wir hätten es besser gelassen: Unseren Vorschlag, die Doppel 2:1 für uns zu werten, lehnte Neuperlach, die durch die Niederlage noch abstiegsgefährdeter wurden als wir, mit Verweis auf die benötigten Punkte genauso selbstverständlich ab, wie wir ihren Gegenvorschlag von 2:1 zu ihren Gunsten. Zumal wir mit Gödde / Knoth ein 2er-Doppel aufboten, das gar nicht verlieren konnte. Und auch den anderen beiden Doppeln mit Leo und mir sowie Küster und Heiko, der unsere einbeinige Nummer 1 ersetzte, rechneten wir durchaus Chancen zu. Unsere Einschätzung bewahrheitete sich dann zumindest dahingehend, dass Knoth und Gödde am längsten brauchten, um zu verlieren.

Warum wir uns bei den Doppeln über die ganze Saison noch nicht wirklich mit Ruhm bekleckert haben, ist nach wie vor etwas mysteriös; an mangelnder Teamchemie sollte es jedoch nicht liegen. Henrik: „Wisst ihr, an wen mich der Leo erinnert, wenn er die Haare als Zopf trägt? An dieses Isländische Sexsymbol bei der WM! Der sieht genauso aus.“ Dem ist wenig hinzuzufügen.

Dank dieses weiteren 5:4 Erfolgs sind wir nun bei einer Bilanz von 6:6 tatsächlich immer noch nicht endgültig gerettet. Somit geht es am kommenden Sonntag um 14 Uhr vor heimischer Kulisse gegen Wasserburg um den finalen Klassenerhalt. Wer packende Spiele auf hohem Niveau sehen möchte, guckt Wimbledon, alle anderen sind herzlich zum Zuschauen eingeladen.

Schammes