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Take me home

An Pfingsten – das weiß der christlich orientierte Bildungsbürger selbstverständlich – wird der Empfang des heiligen Geistes gefeiert. Bei einem gemütlichen Beisammensein der Jünger Jesu ist der Apostelgeschichte folgendes zu entnehmen: „Sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in anderen Sprachen“. Das kenne ich aus erster Hand noch von meinen Pfingsthockeyturnieren mit meiner Aachener Reisemannschaft. Die habe sich auch alle gemütlich einen auf die Lampe gegossen und danach auch alle in sehr verschiedenen Sprachen sehr wirre Inhalte gepredigt.
Soweit sind wir mit der wu14 zum Glück noch nicht, daher stand bei unserer Reise zum Zehlendorfer Turn- und Sportverein von 1888 noch der Hockeysport im Fokus. Dass wir trotz erst kürzlich erfolgter Konfirmation einiger Teilnehmerinnen ohne große religiöse Spiritualität auskommen mussten, bezeugt bereits die unchristliche Uhrzeit von 6:30 Uhr (gefühlt 3:15 Uhr), die als Treffpunkt am Samstag morgen an der Dauer-Großbaustelle in Münchens Zentrum ausgerufen wurde. Von sympathischem Pragmatismus empfand ich Annas Idee im Vorfeld: „Ich penne direkt im Bahnhof – dann muss ich nicht so früh aufstehen“. Erstaunlich problemlos verlief die Anreise mit der Deutschen Bahn, erwartungsgemäß problemlos der Weitertransport mit dem von Z88 organisierten Shuttle Bus. Angekommen bot sich das bereits aus früheren Teilnahmen gewohnte Bild eines Römischen Lagers mit in Reih´und Glied aufgestellten 10 bzw. 20 Personen-Zelten, in denen die Mädels unterkamen. Ich hatte mein eigenes kleines 3 Personen Zelt dabei; wenigstens ein Hauch von Privatsphäre auf einem
Zeltturnier mit über 500 Kindern. So zumindest der Plan, allerdings hatte sich eh schon ein guter Kumpel mit eingemietet, der seine wu12 Tochter begleiten wollte.

Sportlich starteten wir gegen den UHC Hamburg und nachdem wir in der Saison aus 3 Spielen zwar 5 Punkte aber das sagenhafte Torverhältnis von 1:0 aufzuweisen haben, galt der Schwerpunkt ganz klar dem Tore schießen. Das Spiel verlief dann auch exakt wie gedacht: 25 Minuten Spielzeit, 18 Torchancen generiert, Endstand 0:0 – das ging ja gut los.
Danach folgte der spannendste Punkt der Wochenend-Organisation: Aufteilung der Kader. Denn offiziell hatten wir zwei Teams in zwei verschiedenen Leistungsklassen angemeldet, allerdings ergab die letzte Zählung 16 Kinder mit Zugehörigkeit A1 und ganze 5 Kinder, die die zweite Mannschaft repräsentierten. Es musste also ein Algorithmus entworfen werden, wie wir in jedem Spiel mit 14 Spielern auflaufen und dabei Belastungssteuerung, sportliche Fairness, persönliche Befindlichkeiten sowie aktuelle Hüft-, Knie-, und Rückenbeschwerden berücksichtigen. Sportlich folgten für Team 1 dann noch ein 0:1 gegen starke Holländerinnen aus Leonidas, Team 2 trennte sich erfreulich torreich 2:2 von Blankenese und unterlag danach 0:2 gegen Bernerode.
Einen besonderen Spaß entwickelte das Trainerteam – gut, zugegebener Maßen in erster Linie ich die zur Goalgetterin mutierende Liv für jedes Tor derart frenetisch zu feiern, dass sie jedes Mal auf dem Platz vor Scham im Erdboden versinken wollte – Rampensau ist nicht jederfraus Sache (auf der offiziellen Geschwister-Pape-Rampensau-Skala liegt Liv mit einem Wert von ca. 3 Pape nur knapp über dem von Charlotte definierten Nullpunkt).
Abgerundet wurde der Abend schließlich mit leichter musikalischer Untermalung (John Denver –Take me home, country roads), die aus für den Autor unerfindlichen Gründen zur Karaoke Session verkam. Beginnend mit irgendeinem sehr, sehr nervig quakenden Kind, übergehend zu einem in der Tat sensationell gut singendem jungen Mann und abgeschlossen von der eigenen wU16, die zwar qualitativ mit dem jungen Mann nicht komplett mithalten konnte, dafür aber mit einem Gruß
und Dank an ihre beiden Trainer endete (die sich zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits im Tiefschlaf befanden). Zur Gesangskarriere wird’s nicht mehr reichen, trotzdem würde ich den Auftritt bei ungefähr 8 Pape einstufen.
Die Nacht verlief dann ohne große Überraschungen: Irgendwelche Spinner rennen bis 2 Uhr nachts
schreiend über den Zeltplatz, um 5:45 Uhr erklärt ein anderer Spinner lautstark, dass er ausgeschlafen ist und in der Zwischenzeit zieht noch die wu12 Tochter meines Kumpels ein –schön, so ein eigenes Zelt.


Der Sonntag bot weitere 5 Spiele, der Algorithmus vom Vortag sowie das hehre Vorhaben, Tore zu
schießen, galten weiterhin. Der A2 gelangen in Summe 2 (eines davon Vicci per Volley-Abnahme), der A1 sogar ganze 6 Treffer. Dies qualifizierte die erste Mannschaft zu einem Halbfinale in der höchsten Spielklasse und die zweite Mannschaft zu einem Halbfinale in einer gemischten Spielklasse, die noch für sehr viel Entertainment sorgen sollte. Insgesamt waren wir mit der Leistung der Mädels durchaus zufrieden, die ein oder andere Spielerin sah das aber zuweilen anders. So entdeckte ich Tränen bei einer jungen Dame gleich nach Abpfiff und wollte, bevor ich in meiner bekannt unsensiblen Art direkt ins Fettnäpfchen springe, mich zunächst vororientieren. „Du, Klara, warum weint denn die (Name hier nicht relevant)?“. Klara: „Ach, Schammes, weißt du, wir sind jetzt in so nem Alter, da hat man schonmal Selbstzweifel und glaubt, man wäre total schlecht, aber das ist alles nicht so wild, das gibt sich dann auch wieder“. Wenn alle Menschen auf
der Welt nur halb so reflektiert wären, wie diese 13jährige junge Dame, wäre die Welt ein besserer Ort – meine Meinung.

Als besonderes Highlight für mich bot mir Robert dann noch den Job des Schiedsrichters für ein spontan organisiertes wu16-Spiel an. Selbstverständlich tat ich den Mädels diesen Gefallen gerne und wurde dafür vom Wettergott mit sintflutartigem Regen belohnt. Rentiert hat sich mein Auftritt trotzdem, durfte ich doch Zeuge der wu14 Fankulisse werden, die, angeführt von Marie und Louisa, an Lautstärke und Stimmung das am Vortag absolvierte Bundesliga Herren Spiel aufs
Leichteste in den Schatten stellte; 12 Pape. Meinen mindestens 4 Stunden Schlaf aus der ersten Nacht kamen diesmal noch lockere 3 dazu. Das war aber weder der Belegung meines Zelts geschuldet noch der Lautstärke außerhalb, sondern ausschließlich der Tatsache, dass man mit 47 Jahren die Nächte nicht mehr auf einer Isomatte verbringen sollte. Kollege Flo ist trotz deutlich jüngerer Jahre in diesem Thema bereits erheblich weiter; seine aufgeblasene Luftmatratze würde ich rein von der Größe her als hochseetauglich einstufen. Diese harmoniert somit optimal mit seinem Zelt, das mit überdachtem
Wintergarten, Dusche und Whirlpool daherkommt. Nächstes Jahr erweitert er es vermutlich noch um eine Dachterrasse.

Im Halbfinale der A2 erwartete uns dank der gemischten Spielklasse UHC Hamburg. Wie schon im Duell zwei Tage zuvor gegen Team 1 ging es mit 0:0 aus der regulären Spielzeit und mündete somit in einem Penalty Schießen. Scheiterte Anna noch unglücklich nach erfolgreichem Zweikampf mit dem Torwart am Außenpfosten behielten Kathi und Flora die Nerven und verwandelten souverän. Auf der anderen Seite hielt Sophie zwei von drei, so dass der Einzug ins gemischte Finale glückte. Direkt im Anschluss stand die A1 abermals dem Gruppen-Ersten Leonidas gegenüber und auch hier ging es nach starkem Spiel mit 0:0 ins Penalty schießen. In diesem umkurvte Alva zum Auftakt formschön den Goalie und schob lässig zur Führung ein. Im Gegenzug entschied sich Sophie für die deutlich robustere Gangart und trat den gegnerischen Angreifer plump aus den Socken. Da sie jedoch den fälligen 7-Meter hielt erschallte es von der wu16-Tribüne „das war Sophie. Sophie
macht das immer so“ und in mir erwuchs die Sorge, dass Sophie das evtl. tatsächlich als neue Strategie übernehmen könnte (Schritt 1: Gegner umholzen, Schritt 2: 7-Meter halten). Zunächst waren aber wir wieder am Zug und in diesem erhöhte Katha abermals routiniert auf 2:0. Der zweite Angriff von Leonidas endete dann wieder mit einer quer durch den Schusskreis fliegenden Stürmerin, dieses Mal jedoch gänzlich ohne Sophies Schuld; sie stoppte sicher den Ball während ihre Gegnerin versucht hatte, sie über den Haufen zu rennen und dabei schlicht den Kürzeren zog. Naturgemäß sah die das anders und brüllte umgehend auf den Schiedsrichter ein. Was sie jedoch nicht wusste ist, dass Sophie bereits vor Jahren den Beststeller „Lautstarke Hilfe den Schiedsrichter durch sachliche Analyse der Spielszene samt anschließender Handlungsempfehlung“ auf den Markt gebracht hatte und sich folgerichtig auch hier durchsetzen konnte. Endstand: 2:0 mach Penalty-Schießen und somit Finaleinzug auch für die A1. Extra Lob für Anna, die trotz Fehlversuch im ersten Halbfinale den Mut aufgebracht hätte, erneut zum Penalty anzutreten, wenn sie noch drangekommen wäre.

Im Finale unterlag die zweite Mannschaft dann unglücklich aber nicht unverdient mit 1:0 Blau Weiß Speyer, während sich die erste Mannschaft dank einer eingeschweißten kurzen Ecke mit 1:0 gegen den Gastgeber durchsetzen konnte. Grotesk wurde es dann erst wieder bei der Siegerehrung, da nach Auswertung des komplizierten Spielsystems auch Team 2 trotz verlorenem Finale ihre Spielklasse gewonnen zu haben schien. Das führte allenthalben zu leichtem Unverständnis bis Protest-Mob-artiger Revolte und war der bis hierhin tadellosen Organisation dieses Turniers leider etwas unwürdig.

Noch ärgerlicher war jedoch, dass der Shuttlebus, der alle Teams zum Bahnhof fahren sollte, wie auch beim letzten Besuch vor 2 Jahren nicht funktionierte. Dank Flos und Iris Initiative entschieden wir uns dieses Jahr aber einfach rechtzeitig auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen, so dass der Zug problemlos erreicht werden konnte. Unterm Strich war der Besuch in Berlin aber wieder ein großer Spaß. Mein Dank gilt den Organisatoren von Z88 sowie unseren wu14 und wu16 Mädels, die sich auf wie neben dem Platz erwartungsgemäß von ihrer besten Seite zeigten (was ganz bestimmt auch für die ebenfalls
anwesenden wu12 Mädels gilt, aber mit denen hatte ich trotz Beteiligung meiner Tochter nicht genügend zu tun, um das beurteilen zu können).

Und während Turniersiege, Tore und gewonnene Penalty Schießen natürlich eine positive Auswirkung auf die sportliche Entwicklung der Kinder haben, liegt meine größte Hoffnung für einen signifikanten Entwicklungssprung in einem anderen, mir sehr wichtigen Fokusfeld. Bereits Sonntag vernahm ich aus der ein oder anderen Boombox „Take me home, country roads“. Sollte es John Denver bei den Damen tatsächlich dauerhaft in ihre Playlist schaffen, hätten wir im Bereich „anständiger Musikgeschmack“ einen ersten aber deutlichen Schritt in die richtige Richtung geschafft.

— Schammes—